Herbst

Lebensraum Streuobstwiese: Ein Star am Himmel

Lebensraum Streuobstwiese: Ein Star am Himmel

"Zugvogel mit vier Buchstaben"

In vielen Kreuzworträtseln ist als Antwort auf die Frage "Zugvogel mit vier Buchstaben" der "STAR" einzutragen. Dabei ist der knapp amselgroße Vogel gar kein eigentlicher Zugvogel. Einige Populationen verbleiben im Winter sogar in ihrem Brutgebiet, nordeuropäische Brutvögel ziehen hingegen nach Mittel-, West- und Südeuropa, höchstens aber nach Nordafrika. Man kann also den Star bei uns das ganze Jahr über beobachten. Die ersten Exemplare erscheinen bereits Ende Februar in ihrem Brutgebiet und werden zu Recht als erste Frühlingsboten bezeichnet. Bei näherer Betrachtung stellt man fest, dass der Star ein ausgesprochen schöner Vogel ist. Dabei unterscheiden sich die Geschlechter kaum.Auffallend sind zunächst der verhältnismäßig große Schnabel und der etwas kurz geratene Schwanz. Das schwarze Gefieder schillert metallisch violett, grün und blau. Besonders nach der Mauser im Herbst bekommt das Federkleid ein gesprenkeltes Aussehen, da die Federspitzen tropfenförmig rötlichgelb bis weiß gefärbt sind. Dieses "Perlkleid" verschwindet durchAbnutzung im Frühjahr langsam wieder. Der Schnabel ist im Winter schwärzlich, im Frühjahr gelblich gefärbt. Die Jungvögel sehen einheitlich graubraun aus, doch während der Mauser kann man alle Übergänge zwischen Jugend- undWinterkleid beobachten. In früheren Zeiten hing auf jedem ländlichen Anwesen ein Starenkasten an einer Scheunenwand oder in einem größeren Baum und man freute sich, wenn sich im März ein Star für die "Wohnung" interessierte und mit seinem Gesang - ein Potpourri aus pfeifenden, schnalzenden und schmatzenden Lauten - auf sich aufmerksam machte. Diesen Gesang trägt er unter Flügelschlagen von erhöhter Singwarte aus vor. Dabei beweist er sich als ein hervorragender Imitator anderer Vogelstimmen und Geräusche. Schon so manchen Ornithologen hat er damit aufs Glatteis geführt, der sich z.B. sicher wähnte, schon im April einen Pirol gehört zu haben. In Wirklichkeit war es ein Star, der diesen perfekt nachahmte. Doch nicht nur Rufe oder Gesangteile anderer Vogelarten bindet er in seinen Gesang ein, sondern auch Geräusche wie Hundegebell, Katzenmiauen oder gar den Pfiff eines Schiedsrichters, den er vom nahe gelegenen Sportplatz gehört hat.

Brut in Spechthöhlen und Nistkästen

Wo Buntspechte vorkommen, da lebt auch der Star, denn er zieht liebend gerne in deren gezimmerte Höhlen ein. Dabei geht er recht rigoros vor und wirft schon vorhandene Bewohner, ja selbst den Erbauer mitsamt dem Nistmaterial aus dem Bau. Neben Naturhöhlen bezieht der Star auch Nistkästen. Sie sollten schon etwas geräumiger sein, das Flugloch muss einen Durchmesser von mindestens 45 mm aufweisen. Für den Nestbau trägt das Männchen zunächst Stroh, alte Grashalme, manchmal auch grüne Blätter und frische Blüten ein. DasWeibchen polstert dann die Nestmulde mit Federn aus, um schließlich 5 bis 6 einfarbig hellblaue Eier hineinzulegen. Mit dem Brutgeschäft wechseln sich beide Partner etwa 2 Wochen lang ab. Die Jungen werden fast ausschließlich mit tierischer Kost wie Insekten, Wiesenschnaken und Würmer gefüttert. Sind die Jungen mehrere Tage alt, tragen die Eltern die Kotballen nicht mehr aus dem Nest - ein mit weißem Kot bespritzter Höhleneingang verrät dann die Bewohner. Ältere Jungvögel betteln ständig mit lauten "Dschirr"-Rufen nach Nahrung. Nach dreiwöchiger Nestlingszeit sind die Jungen flügge und fliegen aus, bleiben aber zusammen und bilden große Familienverbände. Entgegen anders lautender Meinung brüten bei uns die Stare nur einmal im Jahr.

Bei Obstbauern und Winzern verhasst

Neben Früchten besteht die Hauptnahrung der Stare aus Insektenlarven, besonders aus Larven der Wiesenschnaken. Er sucht sie am Boden auf Wiesen, Weiden und auf Rasenflächen im charakteristischen, trippelnden Gang mit rennenden Passagen und ruckendem Kopf. Bei dieser Nahrungssuche bedient er sich einer eigenen Technik, dem "Zirkeln": Zunächst steckt er den Schnabel im geschlossenen Zustand in den weichen Boden, öffnet ihn dann und drückt damit die Erde beiseite. In den Bodenspalt kann er, weil dieAugen in unmittelbarer Verlängerung des Schnabels liegen, hinein gucken und so Fressbares erkennen. Nach der Brutzeit schließen sich die Starenfamilien zu Schwärmen zusammen. Die bisherige eiweißhaltige Kost wird durch vegetarische in Form von Früchten ergänzt. SeineVorliebe entdeckt er jetzt für Kirschen, Beerenfrüchte und später für die süßen Trauben. Durch ihr massenhaftes Auftreten können Stare innerhalb kurzer Zeit den Ertrag einer ganzen Anlage vernichten. Nicht nur, dass viele Kirschen angepickt werden, nein, wenn der klebrige Saft an den Blättern und Zweigen haftet, ist es für den Pflücker wahrlich kein Vergnügen, die letzten noch heilen Früchte zu ernten. Was hat der Mensch sich nicht schon alles einfallen lassen und unternommen, um dieser Starenplage Herr zu werden! Da werden Vogelscheuchen und Klappermühlen in die Bäume gehängt oder Knallapparate - oftmals zum Ärger der Anwohner - in die Anlagen gestellt. Oder Lautsprecher, die den Angstschrei des Stars vom Tonband verstärkt aussenden. Einzelbäume oder komplette Anlagen werden eingenetzt. In Weinbaugebieten sind "Wingertschützen" im Einsatz. Man versucht, gegen Abend die Schwärme aus den Schlafplätzen zu vertreiben. Den Abwehrmaßnahmen sind kaum Grenzen gesetzt und die Bemühungen nach geeigneten Abwehrmethoden gehen weiter. Nur vor Tötungsabsichten hat der Gesetzgeber einVerbot gestellt. Doch nicht nur in Obstanlagen und Weinbergen sind die Starenschwärme gefürchtet. Auch auf Flugplätzen stellen sie eine große Gefahr dar, können sie doch Flugzeugabstürze verursachen, wenn sie in die Triebwerke gesaugt werden. Liegt ein Schlafplatz in der Nähe menschlicher Siedlungen, sind die Bewohner erbost über den Lärm, den die Vögel verursachen und den Schmutz, den sie hinterlassen.

star2 230Einmaliges Naturschauspiel

Sind im Herbst auch die letzten Weintrauben abgeerntet, rotten sich die Stare zu riesigen Schwärmen zusammen, um sich auf denWeg in südwestliche Gefilde zu machen. Es ist ein einmaliges Naturschauspiel, wenn die aus zigtausend Einzelvögeln bestehenden Schwärme auf der Suche nach einem Schlafplatz am feuerroten Abendhimmel ihre synchronischen Flugmanöver demonstrieren. Eben noch eine auseinandergezogene Kette, schließen sie sich zu einer geballten schwarzen Wolke zusammen, um sich im nächsten Augenblick wieder zu trennen und eine neue Formation zu bilden. Fliegen die Vögel auch noch so dicht, keiner berührt mit den Flügelspitzen jemals seinen Nachbarn. Wie von unsichtbarer Hand werden sie gelenkt - ein bislang ungeklärtes Phänomen. Diese Flugmanöver finden auch am frühen Morgen statt, wenn die Vögel ihre Schlafplätze verlassen. Wenngleich der Star durch sein Massenauftreten gewaltige Schäden verursachen kann, erfreut er uns doch jedes Jahr aufs Neue, sei es als Frühlingsbote, als Gesangsspezialist oder als Flugakrobat. Die heimische Vogelwelt wäre ohne diesen putzmunteren Gesellen um eine interessante Art ärmer.

Garlef Steinborn, Worms

Artikel aus Obst&Garten (11/2002), mit freundlicher Genehmigung Verlag Ulmer, Stuttgart

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